Wie der von einer Einzelperson ausgehende Impuls ganz viel verändern konnte.
Wie kommt eine Agglomerationsgemeinde wie Wallisellen im Kanton Zürich dazu, sich gegen Lichtverschmutzung einzusetzen?
2017
Dark-Sky Switzerland-Präsident Lukas Schuler und der Energieberater Tobias Hofstetter treffen sich mit dem Naturschutzverein, SP, GLP und Grünen – alle sind sie von Wallisellen, und alle sind sie besorgt um allzu viel Licht in der Gemeinde, nicht zuletzt durch überhelle Beleuchtungen des Bahnhofs und des Einkaufszentrums Glatt, das auf Walliseller Boden steht.
An einer öffentlichen Veranstaltung referieren Lukas Schuler über Lichtverschmutzung zur Einführung ins Thema, Eva Inderwildi, Biologin, über die Auswirkungen auf die Tierwelt, und Gemeinderat Rolf Schatz über mögliche Massnahmen einer Gemeinde im Kanton Zürich.
Die Präsidentin der Schulpflege, ein Vertreter des lokalen Elektrizitätswerks und der Tiefbauvorstand sind behördenseitig anwesend und hören aufmerksam zu. Anschliessend findet eine Führung in zwei Gruppen statt, die verschiedene Lichtquellen und störende Beispiele aufzeigen. Das lokale Fernsehen und die Lokalzeitung berichten über den Anlass.
Als nächsten Schritt lanciert Lukas Schuler gemeinsam mit den Verbündeten ein Initiativkomitee. Man einigt sich auf eine allgemein anregende Initiative mit dem Namen «Mehr Nacht für Wallisellen»
2018
Im Jahr 2018 wird der Gemeinderat von Wallisellen durch vier neue Mitglieder ergänzt.
Der neu gewählte Grüne übernimmt das Ressort Landschaft und Tiefbau. Das Licht ist fast durchwegs beim Tiefbau und Hochbau angesiedelt – ein Glücksfall.
Schuler und Helfer sammeln Unterschriften für ihre Initiative und übergeben der Gemeinde 287 beglaubigte Unterschriften. Der Gemeinderat erklärt die Initiative für gültig.
2019
Der Gemeinderat beantragt, die Initiative für erheblich zu erklären. Widerstand gegen die bevorstehenden Abstimmung kommt vonseiten SVP: Die Initiative sei unnötig, zu teuer und der Sicherheit nicht zuträglich.
Dark-Sky-Präsident Schuler lädt alle Unterzeichnenden per Flyer im Briefkasten ein, an der entsprechenden Gemeindeversammlung teilzunehmen. Dort zerpflückt und entkräftet er die Argumente der Initiativgegner. Am 11. Juni 2019 stimmt die Gemeindeversammlung 137:4 zu, die Initiative «Mehr Nacht für Wallisellen» für erheblich zu erklären. Damit erhält der Gemeinderat 18 Monate Zeit für Vorschläge, wie der Lichtverschmutzung in Wallisellen wirksam zu begegnen sei.
2020
Die entscheidende Abstimmung rückt näher. Argumente und Gegenargumente in Zeitungsartikeln halten das Thema aktuell. Schuler weist darauf hin, dass der Vollzug etablierter Forderungen des Bundes, des Kantons und der Lichtnormen keine unnötige Bürokratie erzeuge, sondern lediglich umsetze, was de jure schon seit 2013 gilt.
Am 21. September 2020 stimmt die Gemeindeversammlung ab. Lukas Schuler erklärt noch einmal, worum es den Initianten geht. Ohne jede weitere Diskussion stimmen die Anwesenden mit 143:4 dem Antrag des Gemeinderates zu. Dieser bittet um Kenntnisnahme bereits eingeleiteter Massnahmen – das sind unter anderem die Verlegung des Nachtlaufes aus dem Naturschutzgebiet heraus, die Abschaltung einer Stele vor dem Bauamt, mehr intelligente Strassenbeleuchtung. Der Gemeinderat will im Jahr 2021 sodann einen Masterplan Licht erstellen und danach die Bau- und Zonenordnung sowie die Polizeiverordnung entsprechend anpassen.
Wie wurde es möglich, dass die Gemeinde Wallisellen sich fast einstimmig für markante Verbesserungen im Bereich der öffentlichen Beleuchtung und für weitere Planungen gegen Lichtverschmutzung entschieden hat? Eine Einzelperson ergriff die Initiative, sie konnte die Unterstützung von Leuten in verschiedenen Behörden und Interessengruppen gewinnen. Mit diesen zusammen ging sie Schritt für Schritt den Weg durch die Institution. Sie nutzte die Autonomie der Gemeinde, die in ihrem Bereich für eine Beleuchtung sorgen darf und muss, welche den Bedürfnissen der Menschen, Tiere und Pflanzen gerecht wird.