von Patrik Schellenbauer, Guido Schwarz
In städtischen Gebieten sind von blossem Auge nur noch wenige Sterne am Himmel auszumachen. Dafür verantwortlich ist nicht die Luftverschmutzung, sondern die zunehmende Aufhellung des Nachthimmels durch schlechte Beleuchtungskörper. Die Organisation „Dark-Sky Switzerland“ kämpft gegen die „Lichtverschmutzung“.
Es mag paradox klingen: Obwohl wir heute über ein gewaltiges Wissen über den Aufbau des Universums verfügen, entfernen wir uns in unserem Alltag immer mehr vom gestirnten Himmel, unserem direkten Fenster ins All. Während der Anblick der Milchstrasse noch vor 100 Jahren den meisten Menschen vertraut war, gehört dieses majestätische Bild heute bei einem Grossteil der Bevölkerung nicht mehr zum Erfahrungsschatz. Woran liegt dies? Aber gerade eine Errungenschaft der modernen Zeit – nämlich die elektrische Beleuchtung – ist zur Hauptsache dafür verantwortlich. Die im Vergleich mit anderen Gütern immer billigere Energie sowie eine dramatische Effizienzsteigerung der Beleuchtungskörper haben dazu geführt, dass wir zu beinahe vernachlässigbaren Kosten unsere Häuser, Strassen, Siedlungen und Industriebauten beleuchten. Zweifellos hat dies unser Leben wesentlich angenehmer gemacht, die Nachteile werden aber bisher nur von wenigen wahrgenommen: der Sternenhimmel droht in der Flut von künstlicher Beleuchtung unterzugehen.
Licht wird durch Atmosphäre gestreut
Natürlich kann man sich immer noch auf eine Wiese zurückziehen, um die Sterne zu beobachten. Das Problem besteht aber nicht so sehr in der direkten Blendung durch künstliche Lichtquellen. Dieser kann man sich entziehen. Die schleichende Zerstörung eines dunklen Himmels entsteht dadurch, dass Licht, welches nach oben strahlt, nicht einfach in das All entweicht, sondern vorher an den Molekülen der Atmosphäre gestreut wird. So entsteht ein diffuses Leuchten, das die Objekte des Himmels vermehrt überstrahlt. Die meist hohe Luftfeuchtigkeit in unseren Breiten verstärkt diesen Effekt. Hinzu kommt, dass sich das Siedlungsgebiet noch immer ausdehnt, die Quellen dieses unerwünschten Streulichts also immer flächendeckender werden. In der Astronomie wird dieses Phänomen als „Lichtverschmutzung“ bezeichnet.
Abblenden statt blenden!
Das einzig Erfreuliche an dieser weitgehend unbekannten Form der Umweltverschmutzung besteht darin, dass sie grundsätzlich reversibel ist, indem weniger und vor allem sinnvoller beleuchtet wird. Natürlich kann das Rezept nicht darin bestehen, künstliche Beleuchtung zu verbieten oder drastisch einzuschränken. Es gibt aber einfache und kostengünstige Massnahmen, die einen Beitrag zur Reduktion der Lichtverschmutzung leisten. Allzu viele Beleuchtungen in unseren Siedlungen sind schlecht oder gar nicht abgeschirmt. Diese Beleuchtungen richten das Licht nicht an den Ort, an dem es eigentlich gebraucht wird, sondern zur Seite oder direkt nach oben. Ein typisches Beispiel hierfür sind die Kugellampen. Nicht abgeschirmte Beleuchtungen wirken dem primären Ziel der Beleuchtung, nämlich der Sicherheit, entgegen, da sie mehr blenden statt beleuchten. Machen Sie die Probe aufs Exempel!
Von oben statt von unten
Bei Industrie- und Gewerbebauten gehört es mittlerweile zum guten Ton, sie während der ganzen Nacht zu beleuchten, um auf eine originelle Architektur aufmerksam zu machen oder auch nur einen Namenszug zu betonen. Leider geschieht auch dies allzu oft in schlechter Weise, indem die Fassaden mit starken Spotlampen von unten angestrahlt werden. Die Lichtbündel werden an den Gebäudewänden reflektiert und strahlen in sehr steilem Winkel nach oben ab. In den Industrie- und Gewerbezonen und entlang den Autobahnen lassen sich Dutzende solcher Beispiele finden. Auch unzählige öffentliche Gebäude, darunter viele Kirchen und historische Bauwerke, werden von unten und damit schlecht beleuchtet. Eine Verbesserung für den Himmel kann mit relativ einfachen Mitteln erzielt werden. Der beinahe identische Beleuchtungseffekt lässt sich nämlich erzielen, indem die Fassaden von oben herab angestrahlt werden, so dass die abgelenkten Lichtbündel auf den Boden strahlen. So wird ein Grossteil der Lichtverschmutzung vermieden.
Gute Beleuchtung: vierfacher Vorteil
Gezielteres Beleuchten bringt im übrigen auch ökonomische Vorteile mit sich, indem ein beträchtlicher Teil der für Licht aufgewendeten Energie eingespart werden kann. Dies aus dem einfachen Grund, weil kein Licht mehr nutzlos nach oben oder zur Seite verpufft. Ausserdem sind lichtverschmutzungsarme Lampen kostengünstiger in der Wartung. So erbringt der sinnvollere Einsatz von künstlicher Beleuchtung eine vierfache Dividende in Form von finanziellen Vorteilen, erhöhter Sicherheit, der Erhaltung des Sternenhimmels, sowie ökologischen Verbesserungen (siehe unten). Der finanzielle Gewinn einer effizienteren Aussenbeleuchtung reicht indessen nicht aus, um einen genügenden Anreiz über das Portemonnaie herbeizuführen, der zur Verbesserung der Situation beiträgt. Es muss daher vorher ein Umdenken stattfinden. Aber der konkrete ökonomische Druck fehlt in der Schweiz. Um so mehr ist der bewusstere Umgang mit künstlicher Beleuchtung gefragt – von uns allen! (ps/gs)