Nur vier Tage vor dem geplanten Termin wussten wir noch nicht, ob der Anlass im «Kultur und Kongresshaus Aarau» würde stattfinden können. Was würde der Bundesrat beschliessen, was die Regierung des Kantons Aargau?
Und was überhaupt wollten wir selber? Zu unserer Bestürzung war ein Mitglied unseres Vereins unter Protest zurückgetreten: Es sei nicht der Moment, solche Events zu organisieren. Die Meinungen im Vorstand gingen schroff auseinander. Wir hatten ein gutes Schutzkonzept und würden uns an alle Vorgaben halten – sollten wir das sorgsam Geplante dennoch abblasen, um niemanden zu gefährden?
Schliesslich aber war es soweit. Es kamen jene, die gerade in der beengenden Zeit gemeinsam mit andern etwas Schönes und Interessantes gestalten und erleben wollten. Und schön wurde es, ja, und interessant! Das «Planetarium» (plani.ch) führte zusammen mit unserem Präsidenten Lukas Schuler technische Regie und stellte den offenbar besten Beamer der Schweiz zur Verfügung.
Urs Leutenegger ist Chemiker, Fotograf und Mitglied von Dark-Sky Switzerland. Er zeigte auf einer riesigen Leinwand im verdunkelten Saal eine Reihe von Nachtlandschaften, die er auf den Kanarischen Inseln fotografiert hat. Drei der projizierten Aufnahmen dürfen wir Ihnen in diesem Newsletter zeigen. Der Fotograf hat zu jeder einen kurzen Kommentar geschrieben.
In einer klaren Sommernacht beeindruckte gegen zwei Uhr morgens die genau zwischen den beiden Leuchttürmen senkrecht aufsteigende Milchstrasse. Dieses Panorama zeigt die beiden Planeten Jupiter und Saturn direkt über dem grossen Leuchtturm in Fuencaliente an der Südspitze La Palmas. Das Sternbild Skorpion schmückt das alte Leuchtturmwärter-Häuschen von 1882. Der Stern Arktur – ganz rechts im Bild – beobachtet die Szenerie.
Dieses Bild zeigt die Salzgewinnungsanlage in Fuencaliente direkt vor Mondaufgang unter dem Milchstrassenbogen. Vom Besitzer erhielt der Fotograf die Erlaubnis, sich während der Nacht in der Anlage aufzuhalten. Nur so war es möglich, in Ruhe ein «Focus Stacking» anzufertigen, damit auch die feinen Salzkristalle in der Nachtlandschaft scharf abgebildet werden. Das hochaufgelöste Panorama setzt sich aus 84 Aufnahmen zusammen: Jede dieser Aufnahmen musste exakt während der acht Sekunden lange dauernden Leuchtpause des benachbarten Leuchtturms belichtet werden, um eine Störung durch künstliches Licht zu vermeiden.
Ein Lavateich an der Westküste von La Palma bietet die Gelegenheit, die auf der ruhigen Oberfläche des Wassers gespiegelten Sterne mit den Sternen des Nachthimmels in Einklang zu bringen. Zum Einstieg in dieses «Puzzle» kann man sich an den beiden hellen Sternen Dubhe und Merak des Sternbildes Ursa Major orientieren. Dabei sollte behutsam vorgegangen werden, denn «nicht alles was glitzert ist Gold» – oder in diesem Bild eben Sterne: Die blau-grünen Lichttüpfchen im Vordergrund des Teichs stammen von Noctilucae miliaris – von Mikroorganismen, die zu Biolumineszenz fähig sind.
Der Musiker Bernhard Wagner improvisierte auf verschiedenen Instrumenten – insbesondere auf seiner Elektrogitarre – inspirierende sphärische und einfühlsam gespielte Klänge zu Bildern, die er zuvor nicht gesehen hatte. Das erstmalige Zusammentreffen der beiden Künstler war ein Experiment – es gelang!
Anhand einiger Bilder schilderte Urs Leutenegger dann auch, wie er zu diesen Aufnahmen gekommen war, was ihn dabei interessiert hatte, auf welche technischen Probleme er gestossen war. Er wies auf Besonderheiten hin, wie etwa ein Meeresleuchten (Biolumineszenz) oder ein Zodiakallicht. Er erzählte, wie er während fünf Nächten hintereinander denselben Ort aufsuchte, um eine Idee umzusetzen, wie aber erst in der fünften Nacht das Bild gelang. Die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA erklärte es wenig später zum «Astronomy Picture of the Day». Ein anderes Bild, ein hochaufgelöstes Panorama, setzt sich aus nicht weniger als 84 Aufnahmen zusammen, mehr dazu im Kommentar zum Bild von der Salzgewinnungsanlage von Fuencaliente.
Es gab begeisterte Rückmeldungen, an der Veranstaltung selber und in den Tagen danach. Am Apéro fanden – auf Distanz zwar – rege Diskussionen statt. Viele drückten aus, dass sie sich auch emotional berührt fühlten. Dazu trug die Schönheit der Nachtlandschaften ebenso bei wie die Musik, die mit den Bildern in eine lebendige Zwiesprache getreten war.
Vielleicht war es auch einfach gut, für einmal den Blick nicht auf das ärgerliche Problem der Lichtverschmutzung zu richten, sondern auf das, was uns durch sie entgeht: auf jene wunderbaren und gewaltigen Sternenhimmel über der Erde, die uns andere Dimensionen erahnen lassen und uns in die Weiten des Alls entführen können.
Wir danken Urs Leutenegger und Bernhard Wagner für diese Erfahrung.
Marianne Biedermann
Das im Text erwähnte NASA-Astronomie-Foto des Tages:
«Astronomy Picture of the Day»
Bereits im Frühsommer 2020 durften wir einige kommentierte Nachtlandschaften von Urs Leutenegger aufschalten.