Seit einem Jahr schaltet die Stadt Baden in mehreren Quartieren nachts die Strassenbeleuchtung ab. Die Stadt Baden und auch andere Städte haben damit gute Erfahrungen gemacht. Sie befinden sich jedoch in der Minderheit.
In Zürich wird die Nacht heller. Lichtverschmutzungen sind ein zunehmendes Problem für Mensch und Umwelt, wie der Umweltbericht des Kantons aufzeigt. Die Organisation Dark Sky drängt auf Massnahmen.
Plastik, Chemikalien, Lärm: All das kann unsere Umwelt verschmutzen und der Gesundheit schaden. Aber auch Licht kann das. Die Verehrung des Lichtes hat uns blind für die Schattenseiten des Lichtes gemacht. Doch langsam setzt ein Umdenken ein.
Der Verein Dark-Sky Switzerland hat fast 5000 Unterschriften gegen das Beleuchten im Alpenraum gesammelt. Die Online-Petition soll schon bald Bundesrätin Doris Leuthard übergeben werden.
Anhand der Weihnachtsbeleuchtung eines der grössten Einkaufszentren der Schweiz wurde untersucht, was diese lokal für die Aufhellung der Nacht am Himmel konkret bedeutet.
Die Weihnachtsbeleuchtung unseres Versuchsobjektes besteht aus 269’000 LED Lämpchen, welche das Gebäude wie einen Lichtervorhang auf allen vier Seiten einhüllen.
Damit man besser versteht, wie viel Licht ein solches Gebäude durch die Weihnachtsbeleuchtung ausstrahlt, haben wir eine Schätzung aufgrund der Messung der Leuchtdichte gemacht.
An der Fassade massen wir 4.5 cd/m2. Mit den Dimensionen der vier Seiten des Hochhauses multipliziert, ergibt sich eine Leuchtfläche von 6300 m2, welche ca. 356’000 Lumen emittiert (ein kleinerer Teil davon durch die Fenster nach Innen).
Dark-Sky Switzerland: Das Licht der Weihnachtsbeleuchtung des Glatt entspricht etwa 42 herkömmlichen Strassenlampen, die 1 km Kantonsstrasse beleuchten könnten.
Wie gross ist nun die Aufhellung der Nacht?
Unsere Messungen wurden in der Weihnachtszeit von 2014 vorgenommen. Die Beleuchtung schaltete damals um Mitternacht aus.
Methode:
Wir haben auf einem Stativ mit der Wasserwaage ein Sky Quality Meter (SQM) senkrecht zum Zenit ausgerichtet. Standorte 450m weg vom Glattzentrum erwiesen sich als unzuverlässig für eine präzise Messung.
Unsere Messungen erfolgten daher neben dem Gebäude, auf öffentlich zugänglichem Gelände, 120m vom Hochhaus entfernt.
Wir haben die Messung in vier verschiedenen Nächten wiederholt, um der unterschiedlichen Bewölkung Rechnung zu tragen.
Ausserdem haben wir pro Abschaltung, aus einer langen Serie von Einzelmessungen vor und nach der Abschaltung jeweils 10 benachbarte Werte vor nach der Abschaltung verwendet, um Einflüsse von schwankender Temperatur und wechselnder Bewölkung so gering wie möglich zu halten. Dennoch ist es sehr wichtig, eine gewisse Anzahl Einzelmessungen zu kombinieren, um den Messfehler zu minimieren.
Die Resultate
Vor Abschaltung
Nach Abschaltung
Differenz
Himmel
mag/arcsec2
cd/m2
mag/arcsec2
cd/m2
in %
Qualität
16.20
±0.02
0.0359
±0.0007
16.31
±0.03
0.0323
±0.0008
10%
hohe Wolken
18.53
±0.06
0.0042
±0.0002
18.61
±0.06
0.0039
±0.0002
8%
klar
14.79
±0.02
0.1313
±0.0028
14.87
±0.02
0.1218
±0.0023
7%
Hochnebel
15.57
±0.02
0.0640
±0.0011
16.19
±0.03
0.0360
±0.0011
44%
feucht, Nieseltropfen
Wir sehen, die Messungen in einer Nacht sind recht stabil, jedoch stark wetterabhängig.
Die Weihnachtsbeleuchtung des Einkaufszentrums hellt den Himmel in 120 Meter Entfernung im Zenit um mindestens 7% auf (klares, auch astronomisch interessantes Wetter).
Unter ungünstigen Witterungsbedingungen (Gefahr für Zugvögel) beträgt die Aufhellung bis zu 44%! Wer mir dieses Resultat nicht glaubt, ich habe diese Messung öffentlich im Schweizer Fernsehen durchgeführt (siehe Beitrag in Einstein).
Und nein, es waren keine Tropfen und kein Kameralicht auf der Linse.
Das sind keine schönen Resultate. Aber wir wollten es einmal konkret dokumentiert haben. Die Lichtverschmutzung liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, der unnötig (lange) Licht macht.
Lukas Schuler
Präsident Dark-Sky Switzerland
Fortsetzungsgeschichte 2018
Im Jahre 2018 wurde das Zentrum Glatt renoviert. Alleine durch die neue Fassadengestaltung haben die unnötigen Lichtemissionen sich verdreifacht. Im Zürcher Unterländer machten wir auf das Problem aufmerksam: » Pro und Kontra Weihnachtsbeleuchtung vom 8.12.2018
Danach haben wir die Gemeinde informiert. Die Gemeinde Wallisellen sieht sich nicht in der Pflicht, obwohl wir auf die Zielsetzung des Kantons Zürich aufmerksam gemacht haben, dass die Lichtemissionen nicht zunehmen sollen, siehe Umweltbericht 2018.
Mit der identischen Kamera von 2014 und vergleichbarer Perspektive haben wir das Foto von oben erneut gemacht. Es gab inzwischen einige bauliche Veränderungen, ebenso hat die Dekoration auf dem Kreisel anscheinend gerade einen Defekt. Aber man sieht deutlich, wie die Weinachtsbeleuchtung des Einkaufszentrums sich scheinbar vermehrt hat, weil die neue Fassade mehr Reflexion erzeugt. Die Lampe oben rechts wurde durch eine Natriumdampflampe ersetzt, die zweite Lampe dahinter wurde nach vorne versetzt, weil das neue Hotel den Raum durch einen Vorgarten beanspruchte.
Auch wenn die Politik so langsam voranschreitet, wir bleiben an der Geschichte auch im 2019 dran und werden sie bestimmt fortschreiben.