Samstag, 11. Oktober: Mitgliederanlass Herbst 2014
Für einmal referierte unser geschätzter Geschäftsführer und Naturforscher Rolf Schatz gleich selber über seine Haustiere.
Doch zunächst gab es einen kleinen Umtrunk, bevor das Seminar im Wald startete.
Der Zustand der Gewässerökologie der Schweiz und vor Ort
Auf den Punkt gebracht skizzierte der Referent die Hauptprobleme, welche Gewässerbarrieren durch Kraftwerke vor allem für die Fische bedeuten:
- Jede Staumauer ist eine Barriere. An der Fischtreppe besteht immer ein Nutzungskonflikt, da diese die Energieproduktion mindert, jedoch genügend Wasser führen muss, um für Fische auf dem Weg in die Laichgewässer (nach oben) attraktiv zu bleiben.
- Leider wandern die Fische nach unten mit der Strömung durch die Turbinen und nur wenige überleben das. Es gibt bis heute keine wirklich befriedigende technische Lösung für das Problem.
- Jede Staumauer verhindert die natürliche Füllung der Flusssohle mit Kies und Sand. Wo diese fehlen, gibt es keine Laichplätze.
- Sunk und Schwall: Die grossen Wasserpegel-Schwankungen durch Kraftwerkbetriebe bringen Fische in Pfützen, welche sie nicht mehr verlassen können und austrocknen.
Überdüngung von Gewässern
Am Ort des Anlasses besteht ein alter Fabrikweiher, welchem durch den Nährstoffeintrag von der Landwirtschaft, bzw. durch die Wiederauflösung von Nährstoffen vom Grund die Verlandung droht. Aktuell sind im kleinen Tal alle drei einheimischen Krebse anzutreffen.
Es gibt viele Probleme, welche seit den 90er Jahren durch entsprechende Initiative aus Fischerkreisen gelöst werden sollten. Der Widerstand der Bauern gegen grössere Düngeabstände (einschliesslich Einsatz von Herbiziden, Fungiziden) zu Gewässern ist jedoch trotz zugesagten Ausgleichszahlungen durch den Bund gross und daher unverständlich.
Aus Sicherheitsgründen wurden auch viele Stauseen und Weiher abgesenkt. Das erhöht jedoch das Licht gegen den Grund und trägt wiederum zu Algenwachstum und Sauerstoffmangel beim Absterben der Pflanzen bei. Die Überdüngung von Gewässer ist also längst nicht überall gelöst, wenn auch das Verbot der Phosphate in Waschmitteln viel gebracht hat.
Rückstände von Medikamenten und Zusatzstoffen
Medikamentenrückstände, hormonaktive Substanzen, auch aus UV-Blockern, können männliche Fische verweiblichen, weil diese ähnlich wie die weiblichen Hormone wirken.
Zwei Kläranlagen in der Schweiz haben einen Testbetrieb mit Ozonisierung gefahren. Momentan ist vorgesehen, dass bis 2030 alle Kläranlagen mit Aktivkohlefilter oder Ozonisierung in der Endstufe laufen. Ab 2017 soll eine Gebühr von neun Franken pro Kopf und Jahr dazu dienen, diese Massnahmen umzusetzen.
Umdenken nötig
Als Konsument sollte man wirklich auf den unsinnigen Eintrag von Stoffen ins Abwasser, z.B. von WC-Duftsteinen verzichten.
Nach wie vor existieren auch viele Altlasten aus früheren Mülldeponien, welche wohl eines Tages in den Wasserkreislauf gelangen.
Kommt noch der saisonale Salzeintrag durch Winterdienste hinzu. Der Verbrauch alleine in seiner Gemeinde habe sich in 25 Jahren verdoppelt.
Der Abrieb von Pneugummi auf den Strassen gelangte bislang ebenfalls meistens in unsere Fliessgewässer. Mittlerweile werden teilweise Auffangbecken eingerichtet.
Die EAWAG sieht voraus, dass man wieder mehr Sickerwasser fördern muss. Die grösste Gefahr aus den Alpenländern ist, dass Holland durch zu hohen Wassereintrag im Rücken geflutet wird. Faste jede neue Siedlung entwässert heute alles Meteorwasser direkt in Gewässer und nicht mehr in die Kanalisation. Aber fast nirgends wird für eine natürliche Versickerung gesorgt.
Ein Hochwasserereignis wie zum Beispiel kürzlich an der Emme überlebt kein Fisch.
Man muss sich bewusst sein, dass viele unsere Seen an der Lungenmaschine hängen und ohne diesen künstlichen Sauerstoffeintrag längst gekippt wären.
Der Biodiversitätsverlust in Gewässern in der Schweiz ist enorm. Die Bachforelle hat in 20 Jahren extrem abgenommen. Jetzt brechen auch die Barbenbestände ein und niemand weiss warum.
Rolf Schatz empfiehlt bei Lebensmitteln vermehrt Bioprodukte zu kaufen, der Gebrauch der Schädlingsgifte trägt zum Gewässerproblem bestimmt bei.
Die Einheimischen Krebse
Steinkrebs
Der Steinkrebs mag es eher kalt. Er besitzt weder roten Scherenpunkt, noch die seitlichen Rückendorne hinter dem Kopf.
Dohlenkrebs
Der Dohlenkrebs mag wärmere Bäche. Sein Lebensraum ist daher eher im Süden (Graubünden, Tessin) oder in der Nordwestschweiz. Der Dohlenkrebs besitzt an der Scherenunterseite keinen roten Punkt und auf dem Rücken ebenfalls einen spürbaren Dorn.
Edelkrebs
Bereits im Mittelalter wurden Edelkrebse zum Verzehr gehandelt. Der Fang einheimischer Krebse ist nur dem Pächter erlaubt. Dieser berücksichtigt Schonzeiten. Der Edelkrebs bevorzugt ruhiger fliessendes Wasser und etwas wärmere Temperaturen.
Man erkennt ihn am roten Punkt an der Scherenunterseite und am spürbaren seitlichen Dorn auf dem Rücken hinter dem Kopf.
Das Leben der Krebse
Die Krebse sind Nachttiere. Tagsüber verkriechen sie sich in Ihren Höhlen und man sieht sie nicht. Deshalb sind sie auch oft gefährdet durch Umgestaltungen, weil niemand an sie denkt. Der Krebsatlas an dem der Referent während acht Jahren arbeitet ist daher eine wichtige Voraussetzung zum Schutz und Erhalt der Tiere.
Die Krebse können nur wachsen, weil sie sich häuten. Die leere Körperhülle sieht wie ein komplettes Individuum aus. Als Junge häuten sie sich noch eine Hand voll pro Jahr, ausgewachsen nur noch einmal.
Die Tiere essen kein Aas! Nur frisch kommt beim Krebs auf den Tisch. Aber sie sind auch kannibalisch und essen kleinere Artgenossen.
Die männlichen Tiere haben an der Unterseite als letztes kleineres Beinpaar Befruchtungsbeine. Mit diesen kleben sie am Weibchen Spermapakete an üben Druck auf das Weibchen aus, welches daraufhin an der eigenen Schwanzunterseite ihre Eier anklebt.
Aus diesen Eiern schlüpfen die Larven nach nur zwei Tagen. Nach einer Häutung dieser Larven entsteht bereits der zwei Milimeter grosse Krebs, der im Prinzip komplett ausgerüstet ist. Nur wenige Tage bleibt er bei der Mutter und ist danach sich selber überlassen.
Krebse werden etwa sechs bis sieben Jahre alt, je nach der Gefahr durch Räuber.
Das Töten der Krebse
Krebse werden wie Hummer in kochendes Wasser geworfen, um sie zu töten. Der Grund besteht in den Nervensträngen. Im Gegensatz zu den Wirbeltieren haben Krebse kein Zentrales Nervenorgan. Die Nerven durchziehen den ganzen Körper und daher kann man einen Krebs nicht mit einem gezielten Schlag auf den Kopf töten.
Krebspest seit 1860
Das Krebssterben hat Zeit in Europa angefangen in Norditalien. Damals wurde als Alternative der Signalkrebs eingeführt, da er nicht starb. Dummerweise war der Signalkrebs jedoch Träger der Krankheit, wie sich 1910 herausstellte.
Es handelt sich um einen Pilz, der Einheimische Krebse innerhalb etwa einer Woche umbringt. Der Pilz durchdringt die Haut und sobald sich der Krebs häutet, werden die Sporen im Gewässer übertragen. Ein einziger kranker Krebs reicht aus, um die Population in einem See wie den Türlersee zu vernichten. Es wurden bis heute fünf verschiedenen Krebspest Stämme nachgewiesen.
Die eingeschleppten Krebse
Neben dem Signalkrebs sind der Rote Sumpfkrebs und der Kamberkrebs alles aus Amerika eingeschleppte Arten, welche Träger der Krebspest sind. Der polnische Galizierkrebs ist zwar auch eingeschleppt, aber einer der ersten Krebse, welcher immun gegenüber der Krebspest aus Amerika geworden zu sein scheint.
Die amerikanischen Krebse selber sind zu 85% befallen und Träger.
Fische und Krebse leben gemeinsam
Dank Verzicht auf Besatz mit Fischen konnte Rolf Schatz erkennen, dass sich der Bestand auch natürlich erhält, wenn das Gewässer in einem guten Zustand ist. Wo dies möglich ist und ein guter Bachforellen-Bestand besteht, gibt es in der Regel auch viele Steinkrebse. Sie teilen also den selben Lebensraum und brauchen die selbe Wasserqualität.
Ohne Fische keine Muscheln
Von sechs einheimischen Muscheln sind fünf auf der roten Liste der bedrohten Arten! Eine Grossmuschel filtert etwa 60 Liter Wasser pro Tag. Sie benötigt Sauerstoff und Plankton. Die Filterstoffe bringt sie als kompakte Kügelchen auf den Grund.
Die Befruchtung der Muschel geschieht über den Austausch übers Wasser. Das Weibchen gibt die Larven im Frühsommer ins Wasser ab. Diese docken innerhalb von zwei Tagen an einem Fisch an. Der Fisch dient als Taxi zur Verbreitung der Muschel. Ist diese etwa ein Millimeter gross, löst sie sich vom Fisch.
Zwei Muscheln haben eine spezielle Beziehung zu Fischen entwickelt. Der Bitterling, ein Kleinfisch, ärgert die Teichmuschel so lange, bis diese den Schliessreflex sein lässt und offen steht. Das Weibchen legt dann seine Eier in die Teichmuschel und das Männchen gibt die Milch dazu. Die Fischli entwickeln sich dann eine Weile geschützt in der Muschel.
Die Bachmuschel lockt neugierige Kleinfische durch einen gezielten Wasserstrahl an. So erhöht sie die Chance, dass die darin enthaltenen Muschellarven ein Taxi zum Andocken finden.
Rolf Schatz ermahnt, dass man die Kreisläufe im Auge behalten muss, um das Ökosystem als ganzes zu erhalten. Man kann nicht nur die Bachforelle in Monokultur haben, man muss auch das rundherum hegen und pflegen, damit das ganze System erhalten bleibt. Wer sich nur um Teile kümmert, sei zum Scheitern verurteilt.
Der Bund hat sich im Berner Artenschutzabkommen verpflichtet, einheimische Arten zu schützen. Es ist schade, dass man grosse Mittellandgebiete bereits als verloren betrachten muss, weil man gegen die eingewanderten Arten keine Strategie hat.
Daher sei es die wichtigste Aufgabe, die verbleibenden Gebiete einheimischer Arten umso besser zu schützen. Krebse (mit Ausnahme einer Art) wandern nicht stark. Das heisst es waren und sind fast überall verbotene Aussetzungen passiert.
Selbst geräucherter Fisch zum Abschluss
Ein feines Nachtessen das Rolf Schatz persönlich zubereitete und servierte bildete den krönenden Abschluss dieses spannenden Ausfluges in die Natur der einheimischen Gewässer.
Im Namen von Dark-Sky Switzerland herzlichen Dank für den ausserordentlichen Einsatz.
Das war die Einladung:
» Das spannende Leben der einheimischen Flusskrebs- und Grossmuschelarten (PDF)
Es gab übrigens keinen Regen trotz schlechter Prognose.